Donnerstag, 6. Dezember 2012

Es betrifft dich. Und dich. Und dich.



Theaterstück. GHETTO BLASTER (Regie: Branko Simic) Vorstellungen am: 05./06./07.12.12., jeweils 20.00h


Ich bin in einem Land geboren und in einem anderen aufgewachsen. Manchmal bin ich auch hier geboren und war kurz wo anders. Es passiert aber auch gerne mal, dass ich einfach hier geboren, aufgewachsen und auch gestorben bin. Ich spreche, wie man unschwer erkennen mag, Deutsch. Ich beherrsche auch andere Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Kurdisch, Türkisch, Persisch, Arabisch, Russisch, Portugiesisch, Hebräisch und natürlich besitze ich auch Grundkenntnisse in christlich, jüdisch und islamisch. Merken Sie wie viele Gemeinsamkeiten wir haben oder sehen sie gerade nur die Dinge, die uns unterscheiden? Dabei steckt ein Teil von mir auch in Ihnen. Falls Sie mir nicht glauben wollen, erkläre ich es Ihnen gerne mit einem Theaterstück.

Quelle: Kampnagel. (c) Wolfgang Unger
Titel: „Ghetto Blaster“. Nicht nur gespielt von professionellen Schauspielern, sondern von Ihren Schülern, Nachbarn, Freunden und Fremden, damit Sie natürlich merken, dass es nicht um fiktive Dinge geht sondern um ein wichtiges, reales Thema: Integration. 

Ach, Sie sagen es betrifft Sie nicht? Sie haben kein Problem mit „Fremden“? Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Sie es bezaubernd finden, wie die ‚Edel-Migrantin’ Sylvie van der Vaart mit ihrem holländischen Akzent moderiert, aber es als störend empfinden, dass die auffälligen schwarzhaarigen Männer neben Ihnen auf der Straße lauthals genauso oder ähnliches schlechtes Deutsch sprechen? Dem Stück und mir schon. 

Deswegen entschied sich Regisseur Branko Simic eine Mischung aus „Gastgeberschaft, reißender Musik und geduckter Dramaturgie“ zu inszenieren. Es soll Ihnen unter anderem zeigen, dass die Gentrifizierung in Wilhelmsburg so weit reicht, dass die Bewohner dort, die jahrelang diesen Stadtteil mitaufgebaut und auch ausgemacht haben, gezwungen sind, sich der höheren Macht des Mietspiegels zu ergeben und wegzuziehen. 

Tante Emma (oder dem Jahr 2012 angepasst: „Onkel Mustafa“) wüsste gar nicht, wie und wodurch die steigenden Mietpreise zu erklären, gar zu bezahlen sind. Ja, Sie nennen sie Migranten oder Ausländer, das Stück „Ghetto Blaster“ nennt diese Heimatlosen einfach nur Menschen, die sich, genau wie alle anderen, Respekt und Liebe voneinander wünschen. 

Quelle: Kampnagel. (c) Wolfgang Unger
In Video-Ausschnitten erklären die jungen Tänzer die aggressive Tanz-/Kampf-Choreografie des Stückes und erzählen von ihrem Alltag in der Schule oder in den Hochhaussiedlungen. Das Konzept ist simpel: Nichts ausgedacht, alles echt. Genau wie der Hauptdarsteller und auch Moderator des Stücks, Arash Marandi. Er erklärt seine Grenzen innerhalb seines Berufs als Schauspieler, die durch Fremdbestimmung gesetzt worden sind. Ein ausländisch-aussehender Peter Pan ist halt immer noch für die Mehrheit der klassischen Theatergänger etwas Ungewöhnliches. Ist es nicht krass, dass die Technologie dieser Welt so weit fortgeschritten ist, aber die gesellschaftlichen Verhaltensweisen immer noch solche Mängel aufweisen?

Niemand braucht Politiker, die sich öffentlich der Verantwortung entziehen und sich rechtfertigen, warum die Integrationspolitik gescheitert ist. Es geht nicht um die Entschuldigungen für Vergangenes, es geht um das Bewusstsein für die Zukunft.

Wir lernen immer noch, was es bedeutet ein Kosmopolit zu sein und sind noch lange nicht da, wo wir miteinander sein müssten. Deswegen ist es wichtig offen diesen Themen gegenüber zu sein, da es etwas ist, das uns alle betrifft. Mich und ich und mich und dich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen