Konzert. Tekin
Sengül: UNKRAUT VERGEHT NICHT. 06.12.12., 21.30h
Wenn Unkraut immer so schön wäre, wäre dessen Nichtvergehen
wohl eine Utopie: Am späten Donnerstagabend beendete der Liedermacher Tekin
Sengül im leider nur spärlich gefüllten kmh den zweiten Tag des Krass-Festivals
am Kampnagel mit ruhigen Tönen. Zu einfühlsamen Akustikklängen sang er mit
starker Stimme über die elementaren Dinge des Lebens, über den Drang
auszubrechen, über die Liebe und auch über den Tod.
Wenngleich in den lyrischen Fasern auch der ein oder andere
Wildwuchs in Form aufgesetzter Reime oder überlanger Verse durchbrach, so
entfaltete er doch eindringliche Bilder in den Köpfen der Hörer. So sang er
über den grünen, nassen Boden des Kemal-Altun-Platzes in Ottensen und ließ mit
dieser Metapher die extremen Zwiespälte dieses Ortes eindringlich aufschimmern.
Auf der einen Seite die traurige Geschichte des Kemal Altun, dessen nasses Blut
seines Selbstmords noch an dem Namen klebt. Auf der andere Seite die Farbe der
Hoffnung, leiblich geworden in Gestalt des Rasens, welcher Spielflächen für
Kinder bietet.
Tekin Sengüls klare, genau akzentuierte Stimme, von Impetus
des Optimismus getrieben, von dem Glauben an eine allesüberwindende Liebe,
verzichtet auf jegliches schmückendes Beiwerk, wodurch sie immer wieder zarte
Blüten erzeugt, welche zerbrechlich im Raum stehen bleiben. Gefährdet – genau
wie seine Existenz. Immer wieder wurde
und ist er konfrontiert mit Abschiebeängsten und zu Fluchtbewegungen genötigt
So träumt er davon, schwerelos wie der Wind mal hier, mal
dort zu sein und erinnert nicht nur textlich an Hannes Wader. Jedoch wird bei ihm der Mut zum Aufbruch zur Notwendigkeit, emotional im
Nirgendwo zwischen Euphorie und Pessimismus schwankend. Und so halten es seine
Lieder wie das Unkraut: Sie blühen hier und dort, ohne je Wurzeln zu fassen,
doch immer davon getrieben, eines Tages Elysion zu finden. Und der Hörer kann
gar nicht anders als ihrem Flug schweigend zu folgen, fasziniert
von den eigentümlichen Maserungen, welche sich jenseits der gestutzten Klänge
und aufgebauschten Texte auftun.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen