Freitag, 7. Dezember 2012

Im Schatten der Berge aus Wein: melancholisch-optimistische Klänge von Tekin Sengül



Konzert. Tekin Sengül: UNKRAUT VERGEHT NICHT. 06.12.12., 21.30h




Wenn Unkraut immer so schön wäre, wäre dessen Nichtvergehen wohl eine Utopie: Am späten Donnerstagabend beendete der Liedermacher Tekin Sengül im leider nur spärlich gefüllten kmh den zweiten Tag des Krass-Festivals am Kampnagel mit ruhigen Tönen. Zu einfühlsamen Akustikklängen sang er mit starker Stimme über die elementaren Dinge des Lebens, über den Drang auszubrechen, über die Liebe und auch über den Tod.

Wenngleich in den lyrischen Fasern auch der ein oder andere Wildwuchs in Form aufgesetzter Reime oder überlanger Verse durchbrach, so entfaltete er doch eindringliche Bilder in den Köpfen der Hörer. So sang er über den grünen, nassen Boden des Kemal-Altun-Platzes in Ottensen und ließ mit dieser Metapher die extremen Zwiespälte dieses Ortes eindringlich aufschimmern. Auf der einen Seite die traurige Geschichte des Kemal Altun, dessen nasses Blut seines Selbstmords noch an dem Namen klebt. Auf der andere Seite die Farbe der Hoffnung, leiblich geworden in Gestalt des Rasens, welcher Spielflächen für Kinder bietet.

Tekin Sengüls klare, genau akzentuierte Stimme, von Impetus des Optimismus getrieben, von dem Glauben an eine allesüberwindende Liebe, verzichtet auf jegliches schmückendes Beiwerk, wodurch sie immer wieder zarte Blüten erzeugt, welche zerbrechlich im Raum stehen bleiben. Gefährdet – genau wie seine Existenz. Immer wieder wurde und ist er konfrontiert mit Abschiebeängsten und zu Fluchtbewegungen genötigt


So träumt er davon, schwerelos wie der Wind mal hier, mal dort zu sein und erinnert nicht nur textlich an Hannes Wader. Jedoch wird bei ihm der Mut zum Aufbruch zur Notwendigkeit, emotional im Nirgendwo zwischen Euphorie und Pessimismus schwankend. Und so halten es seine Lieder wie das Unkraut: Sie blühen hier und dort, ohne je Wurzeln zu fassen, doch immer davon getrieben, eines Tages Elysion zu finden. Und der Hörer kann gar nicht anders als ihrem Flug schweigend zu folgen, fasziniert von den eigentümlichen Maserungen, welche sich jenseits der gestutzten Klänge und aufgebauschten Texte auftun.

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